Erfassung der Fledermäuse

Brauchen Fledermäuse Altholz?

Biologen verschiedener Fachrichtungen werfen bei diesem Projekt einen Blick in Lebensgemeinschaften der Alt- und Totholzinseln unserer Wälder. Gerade für Fledermäuse bieten diese Schatzkisten in dreierlei Hinsicht ideale Bedingungen: in alten Bäumen gibt es wesentlich mehr Baumhöhlen, in denen Fledermäuse tagsüber schlafen und sogar in großen Gruppen ihre Jungen aufziehen können; an alten Bäumen entwickelt sich eine vielfältigere Insektenfauna, die den Fledermäusen als Nahrung dient; und nicht zuletzt weisen geschlossene Altholzbestände durch ihre oftmals unterwuchsarmen Hallenausprägungen ideale Jagdbedingungen für einige echolotende Arten auf: wo weniger Geäst ist, da reicht der Schall tiefer und lässt das Gehör weiter schweifen. Ziel der Arbeitsgruppe Fledermäuse innerhalb des NABU-Projekts ist es, zu überprüfen, ob diese schrumpfenden und verstreut liegenden Lebensräume noch mit einem entsprechenden Artenreichtum gefüllt sind. Sind Fledermäuse vielleicht die Ersten, die zu klein werdende, sich dadurch entwertende Lebensräume verlassen, oder sind sie wegen ihrer hohen Mobilität im Gegenteil die Letzten, die das Licht ausmachen? Reichen kleine Inseln als Rückzugsgebiet aus, um von Fledermäusen gefunden und genutzt zu werden oder kann der Erhalt und die Förderung solcher Inseln zur Wiederausbreitung verloren gegangener Arten beitragen? Vielleicht können die Ergebnisse der Untersuchung zu Empfehlungen führen, durch die unsere Wirtschaftswälder wieder zum Lebensraum einer vielfältigen Fledermausfauna werden.

Methodik

Wie weist man Fledermäuse im Wald nach?

Fledermäuse kann man am besten durch eine Kombination aus Methoden nachweisen. Den sichersten Nachweis, mit dem auch Aussagen über Populationszusammensetzungen und Quartierwahl möglich sind, stellt dabei der Netzfang dar. Er ist aber auch die aufwendigste Methode, die mit einem hohen Aufwand auf einer relativ kleinen Fläche arbeitet. So wurden in dieser Untersuchung in den 12 Fangnächten jeweils rund 100m feinmaschige Japannetze meist über Schneisen, Wegen und Bachläufen oder entlang von Waldrändern gestellt und von zwei Bearbeitern ständig in der Nacht überwacht. Um hier nicht an der falschen Stelle zu sitzen, wurden vorher in acht Altholzbeständen Detektorbegehungen durchgeführt. Bei diesen Begehungen wurden die Ultraschallrufe der jagenden Tiere mit einem Fledermausdetektor hörbar gemacht. So konnte festgestellt werden, wo es überhaupt typische Waldarten in größerer Anzahl gibt und wo sich ein Fang lohnen würde. Durch diese Begehungen wurden für 2013 vier Standorte ausgewählt, die geeignete Voraussetzungen aufwiesen. Bei den Netzfängen wurden neben der Anzahl und Art auch die Unterarmlänge, das Gewicht, das Geschlecht sowie der Reproduktionszustand der Tiere festgestellt. So können Populationsaussagen, ob der Wald von seltenen Arten, von Mutter- oder Jungtieren genutzt wird, getroffen werden. Einigen Müttern, die nachweislich zu einer Wochenstube gehören und Junge haben, wurden kleine Sender in das Fell geklebt. Dadurch konnte die genaue Lage der Wochenstube gefunden und mit der Anzahl der abendlich ausfliegenden Muttertiere Aussagen zur Größe des Bestands gemacht werden.

Ergebnisse

Ist Altholz für Fledermäuse wertvoll?
Die ersten vier detaillierten Erfassungen fanden im Schwarzbruch bei Eft-Hellendorf, im Klingelfloß bei Dirmingen, am Geisweiler Weiher bei Schmelz und auf dem Hunnenring und Kahlenberg bei Otzenhausen statt. Dabei konnten 12 der 19 im Saarland vorkommenden Fledermausarten gefunden werden. Darunter auch die für alt- und totholzreiche Bestände typische Bechsteinfledermaus. Diese Art ist besonders aussagekräftig für die Untersuchung, da sie in ihren Vermehrungsrevieren viele Baumhöhlen benötigt. Die Bechsteinfledermaus wurde in drei der vier Untersuchungsgebiete gefangen und im vierten am Geisweiler Weiher wahrscheinlich auch akustisch nachgewiesen. Damit ist eine Kernaussage getroffen, dass diese Art in den Altholzinseln noch vorkommt. Ebenfalls nachweisen ließ sich in drei der Untersuchungsgebiete die Große Bartfledermaus, ein genauso eng gebundener Bewohner alt- und totholzreicher Bestände.

Auch im vierten Gebiet, dem Klingelfloß, ist durch frühere Arbeiten das Vorkommen dieser Art dokumentiert. Am Geisweiler Weiher wurde einem Muttertier ein kleiner Sender ins Fell geklebt, der am Tage dann die Lage des Quartiers verriet. Und so stellte sich heraus, dass die dazugehörige Wochenstubengesellschaft mit rund 22 Tieren eine abgestorbene Fichte in einem nahen Bestand, allerdings außerhalb der Naturwaldzelle, als Quartier bezogen hatte (Foto unten). Der beste Beleg für die Bedeutung und Notwendigkeit von stehendem Totholz auch in unseren Wirtschaftswäldern! Für die Bedeutung des Erhalts geschlossener Altholzbestände spricht der vielfache Fang von Großen Mausohren. Diese Art ist spezialisiert auf die Jagd über dem offenen Waldboden, wo sie nach großen Lauf käfern lauscht. Sie profitiert von weit auseinander stehenden, aber dennoch im Kronenbereich geschlossenen Baumbeständen, die kein Unterholz auf kommen lassen. Populationsbiologisch konnten in den Altholzbeständen alle Reproduktionselemente eines erfüllten Fledermauslebens nachgewiesen werden. So wurden schwangere, milchgebende und abstillende Mütter genauso gefangen, wie später die ersten flüggen Jungtiere aber auch paarungsbereite Männchen mit prallgefüllten Nebenhoden.

Als ein Ort mit besonderer Bedeutung könnte sich bei dieser Untersuchung der Hunnenring herausgestellt haben. Während in früheren Untersuchungen hier nur geringe Aktivität festgestellt wurde, wimmelte es im Spätsommer auf dem kleinräumigen Plateau von Fledermäusen. In einer Nacht konnten hier 13 Tiere gefangen werden. Das könnte ein Hinweis auf das Vorhandensein von Schwarmaktivität sein, einem ganz besonderem Verhalten von Fledermäusen. Im Spätsommer sammeln sich meist jugendliche Tiere und paarungsbereite Männchen vor Höhlen und lernen hier mögliche Winterquartiere kennen oder warten auf Partner. So waren auch hier alle gefangenen Tiere Männchen oder Jungtiere – bis auf ein verirrtes Langohrweibchen. Eine besondere Überraschung lieferten die Aufnahmen automatisch arbeitender Fledermausdetektoren im Schwarzbruch. Hier konnten an mehreren Tagen die seltenste Fledermausart Deutschlands nachgewiesen werden: die Große Hufeisennase. Von dieser Art leben nur noch rund 150 erwachsene Tiere in Deutschland. Sie hat bedeutende Quartiere in Luxemburg und auf dem Saargau. Der Nachweis jagender Tiere im Altholz unterstreicht dessen Rolle auch für den Erhalt extrem seltener Arten.

Ausblick

Wie gewinnen Fledermäuse durch das Projekt?
In 2014 wird die Fledermauserfassung in vier weiteren Alt- und Totholzinseln fortgeführt werden. Für Empfehlungen ist es deshalb noch zu früh, vor allem weil noch keine Verschneidungen mit den Ergebnissen anderer Artengruppen und räumlicher Parameter erfolgt sind. Tendenzen lassen sich aber schon ableiten: die Forderung, stehendes Totholz auch in Wirtschaftswäldern außerhalb von Schutzgebieten zu erhalten, genauso wie die Notwendigkeit, großflächigere Altholzbestände als Ganzes zu schützen. Ein verstreuter Prozentanteil alter Bäume kann geschlossene Bestände nicht ersetzen. Die Wirksamkeit einer Maßnahme hat Saarforst bereits vorgeführt: im Schwarzbruch wurden Kleinstgewässer geschaffen, an denen prompt die Große Hufeisennase nachgewiesen werden konnte. Und zum neuen Nationalpark könnte das Saarland am Hunnenring einen Fledermausschwarmplatz beitragen!