Ergebnisse der Umfrage "Was ist Ihnen unser Wald wert?"

Eine Zusammenfassung von Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne (Hochschule Weihenstephan-Triesdorf)

Wir alle wissen: Wald hat nicht nur eine ökologische oder eine ökonomische Bedeutung, sondern auch eine soziale. Wald wird zum Zwecke der Erholung genutzt und nicht zuletzt wird er symbolisch aufgeladen. Dabei weichen die Idealvorstellungen von Wald durchaus voneinander ab, für den Einen gilt der Park als Ideal, für den anderen der wilde Wald. Gerade Alt- und Totholz wird aus der Perspektive unterschiedlicher Idealvorstellungen sehr unterschiedlich bewertet. Erste Ergebnisse zu den mit Wald sowie Alt- und Totholz verbundenen Vorstellungen liefert eine sozialwissenschaftliche Langzeitstudie, die im Rahmen des durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit geförderten NABU-Projektes ‚Wertvoller Wald‘ durchgeführt wurde.

Der Wald als Symbol – einige kulturelle Aspekte

Gerade in Deutschland erfährt Wald eine besondere soziale Wertschätzung, ihm wird sogar eine identitätsstiftende Bedeutung zugeschrieben (Lehmann 2001). Einen wesentlichen Anteil an der positiven Zuwendung zum Wald nahm die Mystifizierung der Varusschlacht durch die Romantik ein: aus den geeinten Deutschen (und den zu ihren Vorfahren erklärten Germanen) und ihrem Wald wurde der Mythos der Unbesiegbarkeit geboren; gerade die Eiche wurde zu „ein[em] Sinnbild für Ewigkeit des so genannten germanischen Ursprungsvolkes“ (Urmersbach 2009: 76). Eine weitere Politisierung des Waldes wurde im 19. Jahrhundert vollzogen, der „Wald möge den Menschen und seine Welt verbessern“ (Urmersbach 2009: 85), so suchten die Wandervogel- und die Heimatschutzbewegung Alternativen zu Industrialisierung, Individualisierung und Rationalisierung. Diese Konnotation wurde gemeinsam mit dem Mythos des ‚deutschen Waldes‘ in der Nazizeit zu propagandistischen Zwecken und zur Erzeugung von Überlegenheitsphantasien missbraucht.
Bis heute wird Wald mit einem ‚natürlichen Zustand‘ in Beziehung gesetzt, der allerdings wiederum in der Märchenwelt die Aktivitäten von Wilderern, Räubern, Hexen, Feen und andern im Wald verbunden wird (Urmersbach 2009). Diese Tradition der Behausung des von der Norm Abweichenden ist bis heute ungebrochen, wie u.a. Tolkiens ‚Herr der Ringe‘ und Endes Erzählung ‚Die unendliche Geschichte‘ mit ihren jeweiligen Verfilmungen nahelegen (Heck 2010). In den 1950er Jahre lässt sich der aufkommende Heimatfilm als – wohl gelungener Versuch – der Rehabilitation des Waldes von der Nazi-Propaganda deuten. So wurde er wiederum als edles, wildes Stück Natur inszeniert – „das Einfache, so romantisch, so schön, so völlig unpolitisch“ (Urmersbach 2009: 105). So verwundert es angesichts der starken symbolischen Verbindung zum Wald nicht, dass ‚Waldsterben‘ „eine Krise der Kultur bewirkt und das gegenwärtige politische Bewusstsein vieler Zeitgenossen sehr weitgehend beeinflusst [hat]“ (Lehmann 1996: 145). Wald dient heute weithin als ästhetische Landschaftskulisse, als Symbol für ein harmonisches Zusammenleben von Bäumen unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Alters, wobei die kognitiven Kenntnisse über Wald eher gering sind(Lehmann 2001).

Aufbau der Studie

Die Studie zu sozialen Konnotationen zu Wald und der Akzeptanz zu Alt- und Totholz gliedert sich in drei empirische Teile: Zwei quantitative Studienteile (eine Befragung 2013 und eine 2018) – und einen qualitativen Studienteil, in dem offene Fragen an die Interviewten gestellt und später ausgewertet werden. Hier sollen der Sinn, den Menschen mit Wald sowie Alt- und Totholz verbinden, welche Deutungsmuster sie Alt- und Totholz im Kontext der Waldentwicklung entgegenbringen, in welcher Form sie die Waldentwicklungen und –bilder bewerten, betrachtet werden. Die hier vorgestellte erste Datenerhebungsphase wurde mit einer Online-Befragung  vom 13.09.2013 bis 31.10.2013 bereits abgeschlossen. Die Zahl der auswertbaren Online-Fragebögen betrug n = 1.606. Wie in quantitativen Studien, wurde die überwiegende Zahl der Fragen geschlossen gestellt, d.h. es wurden Antwortmöglichkeiten vorgegeben.

Ergebnisse der Studie zur sozialen Bedeutung von Wald sowie Alt- und Totholz

Die weiter vorne dargestellten sozialen Funktionen von Wald lassen sich auch in den Ergebnissen der hier vorgestellten Studie wiederfinden. Dabei wird Wald aus stark anthropozentrischer Perspektive wahrgenommen: Er bietet Erholung, frische Luft, Begegnungen mit (wilden) Tieren und weist eine ökonomische Bedeutung auf. Die ökologische Funktion, Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sein, wird nur von knapp einem Viertel der Befragten so angegeben.
Hinsichtlich der Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten, wie Wald wahrgenommen werde, dominiert Antwort ‚auf Wanderungen‘ mit über 95 %. Rund die Hälfte der Befragten gab an, Wald in Dokumentarfilmen wahrzunehmen. Es folgten Angaben vom Fahrrad und vom Auto aus (jeweils rund 40 %). Dabei wurden Unterschiede zwischen den Alterskohorten deutlich: Jüngere nehmen demnach Wald häufiger bei der Teilnahme am Verkehr wahr als Ältere, auch ist bei ihnen die Tendenz stärker, Wald im Internet wahrzunehmen.
Bei der Befragung wurden auch die Assoziationen zu unterschiedlichen Waldtypen anhand der Beurteilung von drei Fotos erhoben, dem Foto eines Fichtenwaldes, eines Naturnahen Waldes und eines Parks. Einer besonderen Wertschätzung unterliegt demnach der Naturnahe Wald. Insbesondere dem Park wird eine große Gleichgültigkeit entgegengebracht. Die Beurteilung der gezeigten Fotos ist jedoch teilweise deutlich zwischen den Alterskohorten unterschiedlich: So nimmt beispielsweise die Neigung mit zunehmendem Alter zu, den Park als ‚schön‘ zu verstehen, während die Neigung, den wilden Wald als ‚schön‘ zu begreifen, mit zunehmendem Alter abnimmt. Dominieren bei der Betrachtung von Wald (aber auch Landschaft) allgemein ästhetische und emotionale Zugänge, wie auch die Frage, wie Wald (und Landschaft) gemäß eigener Aktivitätswünsche (insbesondere zur Erholung) genutzt werden kann (vgl. Kühne 2013), ist wird Alt- und Totholz stärker verstandesmäßig beurteilt, wobei insbesondere der Lebensraumaspekt von Alt- und Totholz in den Mittelpunkt des Interesses gerückt wird. Eine Möglichkeit, Wertschätzung für ‚Natur‘ oder konkreten Teile davon zum Ausdruck zu bringen, ist die freiwillige Bezahlung von Geld. Um die Zahlungsbereitschaft hierfür zu ermitteln, wurde die geschlossene Frage gestellt, ob die Befragten bereit seien, für den Erhalt einer ‚herrlichen Buche‘ einen Geldbetrag an deren Eigentümer zu zahlen, der sie ansonsten zu Brennholz verarbeiten würde. Rund 80 % der Befragten erklärten sich dazu bereit, mindestens 10 Euro, mehr als die Hälfte, sogar 50 Euro und mehr zu zahlen. Etwa ein Fünftel der Befragten erklärte sich zu keiner Geldzahlung bereit.

Ein kurzes Fazit

Insgesamt zeigen die Befragten ein hohes Maß an Wertschätzung gegenüber Wald, aber auch Alt- und Totholz. Dabei lässt sich sogar eine höhere positive Besetzung von wildem Wald, verbunden mit Alt- und Totholz, bei Personen mit geringerem Alter feststellen. Hier zeigt sich einerseits, dass das Leitbild des ‚ordentlichen Waldes‘ sukzessive an Bedeutung verliert, und wildnisartigere Waldbilder zunehmend als normal gelten (vgl. allgemein zu Landschaft Kühne 2013).

Literatur

  • Heck, B. (2010): WaldKulTur. Ein Rückblick auf 200 Jahre kulturelle Aneignung. In: Nationalparkverwaltung Bayrischer Wald (Hg.): Kulturwissenschaftliches Symposium. Wald : Museum : Mensch : Wildnis. Grafenau, 30-49.

  • Lehmann, A. (2001): Mythos Deutscher Wald. In: Der Bürger im Staat 51, H. 1, 4-9.

  • Kühne, O. (2013): Landschaftstheorie und Landschaftspraxis. Eine Einführung aus sozialkonstruktivistischer Perspektive. Wiesbaden.

  • Urmersbach, V. (2009): Im Wald, da sind die Räuber. Eine Kulturgeschichte des Waldes. Berlin.