Erfassung der Holzkäfer

Holzbewohnende Käfer sind mit rund 1.500 Arten eine große Gruppe. Hinzu kommen diverse andere Arthropodengruppen wie z.B. Schwebfliegen, Raubfliegen, Waffenfliegen, Kammschnaken, Rindenwanzen, Echte Motten, Faulholzmotten, Spinnentiere wie z.B. Bücherskorpione und Milben sowie eine Vielzahl von Hautflüglern wie z.B. Grab-, Schlupf- und Erzwespen. Die Lebensweise der ökologischen Gilde der Holzinsekten ist sehr heterogen: Es gibt z.B. Bewohner von Pilzfruchtkörpern, Konsumenten von Pilzmyzelien im Holzkörper, an Tiernester in hohlen Bäumen gebundene Arten, Gäste von Holzameisen sowie solche, die ausschließlich in frischen, noch leicht verdauliche Kohlenhydrate enthaltenden Hölzern leben. Da rund die Hälfte aller Holzinsektenarten von Pilzen unmittelbar abhängig ist, sind Grundkenntnisse über die wichtigsten Holzpilzarten unerlässlich. Zum Teil bestehen extrem enge Bindungen zwischen Insekten und bestimmten Pilzarten. Bekanntere Pilzarten mit Schlüsselfunktion für die waldtypische Biodiversität sind z.B. die Austernseitlinge, der Schwefelporling und der Zunderschwamm. Holzinsekten zeigen ganz verschiedene Verhaltensweisen und Aktivitätsmuster: So gibt es tag- und nachtaktive Arten, Arten die nur an besonnten Hölzern in der Mittagshitze heißer Sommertage aktiv sind und solche, die die kühl-feuchten Morgenstunden im Halbschatten bevorzugen. Nicht wenige Arten sind wegen des nahrhaften Nektar- und Pollenangebots Blütenbesucher, wieder andere suchen Schleimflüsse der Eichen auf, wo Wildhefen die Kohlenhydrate des austretenden Baumsaftes vergären.

 

 

30 bis 35 % aller Holzkäferarten ernähren sich als Larven und/oder als fertige Käfer räuberisch. Besonders arten- und individuenreich ist das carnivore Spektrum bei den Borkenkäfern. Ohne die im Stillen von den Waldbesitzern unbemerkt ablaufende Regulation der gefürchteten Borkenkäfer durch ihre natürlichen Antagonisten hätte sich das künstliche, gegenüber Wind, Trockenstress und der im Sinne des natürlichen Waldumbaus regulatorisch wirkenden Massenvermehrungen speziell angepasster Insekten extrem anfällige System der Koniferenmonokulturen nicht so lange halten können. Veränderungen im Ökosystem zeigt beispielsweie der sehr wärmeabhängige räuberische Buntkäfer Tilloidea unifasciata. Die Art ist seit 2013 neu für das Saarland. Der Erstfund erfolgte in unerwarteter Weise am Hunnenring auf 650 Metern schon in der „eigentlich“ kühl-gemäßigten montanen Stufe: Ein Indiz für den durch den Klimawandel verursachten Anstieg der Durchschnitts- und Höchsttemperaturen.

Die große Bandbreite der genutzten Mikrohabitate und Verhaltensmuster der Holzinsekten erfordert die Anwendung eines breiten Methodenspektrums, wenn die Fauna eines Waldbestandes repräsentativ erfasst werden soll. Das Phänomen ist leider, dass die nachstehend beschriebenen Erfassungsmethoden ganz unterschiedliche Artenspektren abdecken, ganz in Abhängigkeit von den individuellen Verhaltensmustern. Manche Arten erscheinen nur ausnahmsweise in Fallen, obwohl sie mit Hilfe des Käfersiebs an der gleichen Totholzstruktur oft in großer Zahl gefunden werden. Andere „weigern“ sich, in die Fallen zu gehen und sind stattdessen regelmäßig an Leimringen, auf Blüten oder direkt auf dem Holz zu finden. Die Grundlage der Erfassungsmethodik bilden Anflugfallen verschiedener Bauart, die ständig vor Ort sind und somit eine kontinuierliche Grunderfassung gewährleisten. Bewährt haben sich einerseits Konstruktionen mit gekreuzten Plexiglasscheiben, Regendach, Auffangtrichter und mit Konservierungsflüssigkeit versehener Sammelflasche. Als zweiten Fallentyp wurden etwas umgebaute weiße oder gelbe Borkenkäfer-Schlitzfallen eingesetzt, wobei die Farbe als Blütenimitat mit Lockwirkung dient.

 

Die Abbildung rechts zeigt eine Anflugfalle nach Rahn mit zusätzlicher Köderdose (Hähnchenflügel) 2013 am Hunnenring. Der Rotbuchen-Hochstubben im Optimalstadium der Pilzbesiedlung weist besonders viele Mikrohabitate auf. Unter anderem Zunderschwamm (Fomes fomentarius), Rauchporling (Bjerkandera adusta), Brandkrustenpilz (Hypoxylon deustum), Gallertfältling (Merulius tremellosus). Eine weitere bewährte, zielgenaue stationäre Erfassungsmethode sind Leimringe. Für die Montage werden etwa 13 cm hohe Streifen aus starker Bauplane mit U-Nägeln rund um die Totholzstruktur getackert. Grüner Raupenleim wird dann mit Hilfe eines Leimrollers dünn aufgetragen. Leimringe sind schon bei der Ausbringung sehr aufwändig. Darüber hinaus müssen sie regelmäßig gesäubert werden, indem Anflug von Pflanzenteilen und Fliegen mit einer Pinzette sorgfältig entfernt werden. Käfer werden mit Hilfe eines Zahnstochers in reinen Brennspiritus überführt. Darin löst sich der Leim auf und die Tiere können bestimmt werden.

Zur Analyse versteckt lebender Arten aus vermorschtem Holz, aus vermulmten Borken, aus dem Mulmgemisch der Baumhöhlen oder aus verpilztem Reisig ist das Käfersieb ein unerlässliches Hilfsmittel. In einen langen zylindrischen Stoffbeutel sind zwei Metallringe mit Handgriffen eingenäht. Der erste Ring schließt mit dem oberen Rand des Stoffzylinders ab und verleiht der Einfüllöffnung Stabilität. Der zweite Ring sitzt unterhalb im ersten Drittel des Stoffbeutels und trägt einen Siebeinsatz. Je nach Korngröße und Feuchte des zu siebenden Substrats wählt man verschiedene Maschenweiten, in der Regel 5 mm. Das Siebgut mit den oft sehr kleinen Käfern sammelt sich am unteren Ende des zugebundenen Stoffbeutels und wird in Leinenbeuteln transportiert bzw. bei Bedarf nachgetrocknet. Zur Extraktion der Käfer wird das Siebgut mit Hilfe von Feinsieben bis herab zu 0,8 mm Maschenweite auf einer thermostatgesteuerten Laborheizmatte ausgebreitet. Bei etwa 38 Grad Celsius flüchten die Tiere recht schnell und können mit Hilfe einer Lupe und einer elastischen Federstahlpinzette in ein Sammelröhrchen überführt werden. Mit Hilfe des Käfersiebs werden auch extrem kleine Käferarten sicher erfasst, einer der Rekordhalter ist der Milben jagende Ameisenkäfer Microscydmus minimus mit 0,7 mm Körperlänge – die Art ist trotz ihrer Winzigkeit ein seltener Bewohner dicker, vermorschter, meist stehender Starkholzstrukturen. Tagaktive Arten können mit Hilfe eines Klopfschirms von Totholzstrukturen oder blühenden Sträuchern heruntergeholt werden. Die Methode ist an warmen Tagen mit höherer Luftfeuchte in einer Schwärmphase am frühen Abend besonders erfolgreich. In längeren Trockenphasen versagt die Klopfmethode.

 

Ein Teil der Bockkäfer (Familie Cerambycidae, die Abbildung auf der Folgeseite zeigt den an Eichen-Frischholz gebundenen, bis 2 cm großen Eichenwidderbock (Plagionotus arcuatus) ) ist tagaktiv, andere bevorzugen die frühen Nachtstunden. Systematisches Absuchen sonnenexponierter Hölzer und Blütenstände (z.B. Weißdorn und Bärenklau) in den Monaten Mai bis Juli ergibt oft ein breites Artenspektrum. Nachts mit der Stirnleuchte findet man an den gleichen Orten dann die lichtscheuen Arten.

Mit Hilfe eines Streifkeschers werden ebenfalls in der Schwärmphase des Spätnachmitttags viele Arten von der Bodenvegetation bzw. von bodennah exponierten Totholzstrukturen erfasst. Die letzte Gruppe der Erfassungsmethoden sind verschiedene Varianten von Handaufsammlungen. Das systematische Absuchen von Totholz und von Blüten, z.B. in der Mittagshitze, bringt oft Erfolg. Eine extrem ergiebige, aber auch sehr anstrengende Sammelmethode ist das Ableuchten von Schlüsselstrukturen in den ersten Nachtstunden. Nach dem vollständigen Einbruch der Dunkelheit erscheint eine sehr große Zahl von Käfern auf ihren Bruthölzern bzw. zur Nahrungsaufnahme z.B. an sporulierenden Pilzfruchtkörpern. In den ersten Stunden nach der Dämmerung lohnt sich an Abenden bzw. in Nächten mit hohen Temperaturen und höherer Luftfeuchte auch der Einsatz einer Insekten-Leuchtanlage mit Ultraviolettanteil.

 

Viele Holzinsekten-Imagines fliegen Licht an, andere jedoch fliehen vor stärkerer Beleuchtung. Eine aus wissenschaftlicher Sicht besonders hochwertige, aber zeitaufwändige und raumbeanspruchende Erfassungsmethode für Holzinsekten ist die Zucht. Durch die Zucht können wesentliche Erkenntnisse über die oft noch wenig aufgeklärte Autökologie vieler Arten gewonnen werden. Sehr häufig findet man im Freiland von oft nicht genau bestimmbaren Larven besetzte Hölzer oder Pilzfruchtkörper. Diese sägt man in handhabbare, aber nicht zu kleine Stücke zurecht und lagert sie mit genauer Dokumentation in geeigneten, mit Belüftungsöffnungen versehenen Gefäßen ein. Dabei sollten Feuchtegehalt und Temperatur möglichst exakt nachempfunden werden z.B. durch regelmäßiges Befeuchten. Optimal sind Zuchtanlagen, die frei der Witterung ausgesetzt sind, z.B. mit feinem Draht abgeschlossene Behälter im Garten.